European Capitals of CultureΠοιειν Και Πραττειν - create and do

Essen 2010 und die zukünftigen Kulturhauptstädte Europas

Essener Lichterwoche - Grüße an Mons 2015                                      Photo von Ernst Käbisch

Ernst Käbisch macht darauf aufmerksam, daß das Thema der Essener Lichterwochen 2014 wie im letzten Jahr die kommende Kulturhauptstadt Europas, diesmal also Mons 2015 in Belgien, sein wird: https://gesunex.de/essener-lichterwochen-2014-entwurf/11570/

Daraus geht hervor wie hält eine ehemalige Kulturhauptstadt Verbindungen zu zukünftigen und damit ihren eigenen Ruf als Kulturhauptstadt aufrecht? Das Reklameschild 'Essen Die Einkaufsstadt' widerspricht dem vollkommen, aber der Kommerz macht schließlich auch nicht vor Weihnachten halt. Das Fest wird genutzt um die Konsumten zu besonderen Anstrengungen anzuspornen. Doch in Deutschland werden über 41 Millionen Erwerbstätige gemeldet. Das ist eine enorme Kaufkraft. Allerdings leben viele Menschen nahe der Armutsgrenze, so dann mindert dies die Kaufkraft der sogenannten Werkstätigen enorm. Kommen noch hinzu die Arbeitslosen und jene die von Hartz IV Unterstützung erhalten, dann zeigt sich noch ein ganz anderes Bild betreffs der Verbindung zwischen Kultur und Wirtschaft.

Zur Zeit werden vielmehr Fragen diskutiert, ob Nord Rhein Westfalen Kunstwerke z.B. von Warhol veräußern darf eben weil die staatlichen Haushalte sich besonders auf Länder- und kommunaler Ebene im maroden Zustand befinden. Gleichzeitig berichtet Reuters von enormen Summen in New York die bei der Versteigerung eines Warhols u.a. ausgezahlt wurden. (1) So als würde sich der Preis für Kunstwerke deren Wert in den Augen der gesamten Bevölkerung nur noch steigern, ohne jedoch die Frage zu stellen, inwiefern das den Blick auf die Kunst einfach verstellt? 

Dazu passt der Appell des Kulturausschusses des Deutschen Städtetages zur Veräußerung von Kunstgegenständen in öffentlichem Besitz,13./14. November 2014 in Lübeck:
"Der Kulturausschuss des Deutschen Städtetages fordert alle öffentlichen Eigentümer von
Kunst und Kulturgütern auf, verantwortungsbewusst mit den ihnen anvertrauten Kunstwerken
und Objekten umzugehen. Kunst in öffentlichem Eigentum darf nicht auf ihren Marktwert
reduziert oder zur beliebigen Verfügungsmasse werden. Kunst, die aus Steuergeldern
erworben wurde, ist Eigentum aller Bürgerinnen und Bürger und es ist die Pflicht von Bund,
Ländern und Kommunen einen angemessenen Umgang mit dem Kulturgut sicherzustellen.
Dies nicht zuletzt auch aus Respekt vor den vielen Stiftern und Mäzenen, die ihre Werke und
Sammlungen Museen und Kunsthäusern im Vertrauen darauf übertragen, dass diese dadurch
einer größeren Öffentlichkeit zugänglich werden. Durch Ankäufe der öffentlichen Hand wird
die Kunst einem spekulativen Markt entzogen, ihrer künstlerischen Qualität und ihres ideellen
Wertes wegen präsentiert. Kunst in öffentlichem Eigentum ist keine beliebige Handelsware,
mit der Gewinnabsichten verfolgt oder Haushaltslöcher gestopft werden, sie ist zu pflegendes
Gemeingut. Es ist die Pflicht und Verantwortung der öffentlichen Hand Kunst zu pflegen, zu
erhalten und zukunftsfähig zu fördern. Kunst und Kulturgut aus öffentlichen Sammlungen
darf nur unter Berücksichtigung der ICOM-Standards und des darauf basierenden Leitfadens
zum Sammeln und Abgeben von Museumsgut des Deutschen Museumsbundes abgegeben
werden. Jede Veräußerung aus kommerziellen Gründen scheidet nach dem Geist dieser
Übereinkommen aus. Es ist dringend geboten, diese für Museen gültigen Standards als
Grundlage für Festlegungen zum Umgang mit Kunstbesitz in kommunalen oder
landeseigenen Tochtergesellschaften zu machen."

Daraus folgt, was geschieht mit Kunstwerken die in den Besitz der besonderen Stiftung kamen, da die für den besonderen Zweck, das entscheidende Jahr zu organisieren wenn die Stadt Kulturhauptstat ist, entstanden, und oftmals nach dem Jahr abermals aufgelöst werden, so z.B. Ruhr 2010. Ernst Käbisch berichtet allerdings dass es noch Anlaufstellen gibt wo Leute sich über Ruhr 2010 informieren können. Der Stolz, Kulturhauptstadt Europas gewesen zu sein, hält also noch an.

Eine ganz andere Frage ist ob zukünftige Kulturhauptstädte von ehemaligen lernen können, zumal Essen / Ruhr 2010 ein schwieriger Fall darstellt. Das Management ging davon aus, daß sie nichts vor Vorgängern zu lernen hätten. So stellte zum Beispiel in Anknüpfung an Weimar Ruhr 2010 sich nicht der Frage, welch einen Zusammenhang gab es zwischen der Großindustrie im Ruhr Gebiet und Hitler, obwohl sämtliche Kohle- und Stahlwerke zur Kriegsmaschinerie beitrugen. Weimar 1999 hatte sich dieser Frage gestellt, nämlich wie kam es zu Buchenwald trotz einer Bildungskultur die vor allem Dank Schiller und Goethe zustande kam.

Das wiederum mündet in der Frage welch einem Archiv steht den zukünftigen Kulturhauptstädten überhaupt zur Verfügung wenn sie von Ruhr 2010 lernen wollen? Vor allem zeigt sich dadurch was wurde bewahrt bzw. was blieb den dort lebenden Menschen in Erinnerung. Selbstverständlich gibt es die offiziellen Dokumente die allerdings nicht immer oder leicht abrufbar sind, es sei es die werden von der EU Kommission und/oder dem Archiv in Ruhr 2010 bewahrt. Doch gerade im digitalen Zeitalter lenkt jemand wie Oliver Leronte Schultz die Aufmerksamkeit auf die nicht digitalen Erinnerungsstücke die eben doch beim Erzählen in Zukunft eine Rolle spielen werden, will nicht nur eine selektive Sichtweise dominieren. Interessant wird es dann noch mehr wenn der Zugang zum Archiv aus der Sicht von Kindern und Jugendliche evaluiert wird. Erwachsene haben da so ihre eigene Kodifizierung wenngleich Kinder und Jugendliche weniger mit dem Gedächtnis, als mit unmittelbaren Eindrücken und einer Vorausschau arbeiten. Doch einen bewussten Zugang zum Gedächtnis / Archiv der Erwachsenen herzustellen, verlangt erstmals sich dieser Frage erstmals zu stellen. Denn solch ein kulturelles Hineinwachsen verdeutlicht auch was Zukunft hat.

Hatto Fischer

28.11.2014

 

1. Contemporary art just keeps on getting hotter. Christie’s smashed its own record on Wednesday night, selling $853 million of works in its New York auction, including Andy Warhol’s “Triple Elvis,” Jeff Koons’ orange balloon monkey and an untitled work by Cy Twombly.“ Carol Ryan, „EU helps New York beat London in hot art market“. Reuters 14.11.2014

http://blogs.reuters.com/breakingviews/2014/11/14/eu-helps-new-york-beat-london-in-hot-art-market/

 

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